1. Wirtschaftliche Talfahrt
Sambias Wirtschaft beendete das Jahr 2015 mit einem Wachstum von weniger als 4%. Aus europäischer Perspektive phänomenal, im Vergleich zu anderen afrikanischen Entwicklungsländern und vor dem Hintergrund eines erwarteten Wirtschaftswachstums von über 7% jedoch eher eine mittlere Katastrophe. Die Regierung führt den Einbruch vor allem auf externe Einflüsse, wie den starken Dollarkurs und den Verfall des Kupferpreises zurück, sieht dabei jedoch über eine Reihe hausgemachter Faktoren hinweg: Neben der Beratungsresistenz der Regierung sorgten in erster Linie inkonsistente und inkohärente Entscheidungen sowie ständig wechselnde Minister und Staatssekretäre für ein negatives Investitionsklima.
Erst nach einer Verwarnung des Internationalen Währungsfonds im November 2015 räumte die Regierung ein, über ihre Verhältnisse gelebt zu haben und kündigte ein Haushaltssanierungsprogramm an. Angetrieben von Gehaltserhöhungen für Staatsbeamte (75% der sambischen Staatseinnahmen fließen in Löhne) über mangelhaft geplante Infrastrukturprojekte (Kostenüberschreitung von 1,9 Mrd. Kwacha = 158,3 Mio. Euro beim Bauprojekt Link Zambia 8000) bis hin zum verschwenderischen Verhalten der Regierung, stieg das Haushaltsdefizit allein in der ersten Jahreshälfte auf 20,5 Mrd. Kwacha (=1,7 Mrd. Euro, 18,5% des BIP). Den Gipfel der Unverhältnismäßigkeit markierte eine Dienstreise zur UN Generalversammlung in New York im September 2015 für die der Präsident und seine 256 (!) köpfige Delegation einen europäischen Privatjet für schlappe 300.000 Dollar charterten. Über die Gesamtsumme der Kosten, einschließlich Hotelübernachtungen, Limousinen-Shuttles und Sightseeing-Touren, kann nur spekuliert werden. Als Ende des Jahres schließlich die Staatspleite absehbar war, kündigte der Präsident an, dass die Reisekosten zukünftig reduziert werden sollten.
Nachdem Sambia als hochverschuldetes Entwicklungsland (Highly Indebted Poor Country) seine Schuldenlast im Zuge der Schuldenerlass-Initiative (Multilateral Debt Relief) von 7 Mrd. Dollar im Jahr 2001 auf 934 Mio. Dollar im Jahr 2006 senken konnte, hängt der Staat nun erneut am Tropf internationaler Kreditgeber. Mit der Ausgabe des dritten Eurobonds über 1,25 Mrd. Dollar im August stieg der Eurobond-Schuldenberg auf 3 Mrd. Dollar, womit die gesamten Auslandsschulden nun 6,3 Mrd. Dollar und die Inlandsschulden 25 Mrd. Kwacha (2,1 Mrd. Euro) betragen. Seit der Machtübernahme der PF im Jahr 2011 haben sich die Inlandsschulden demnach verdoppelt und die Auslandsschulden sogar vervierfacht.
In Folge von Korruption, Missmanagement und unzähligen politischen Fehlentscheidungen spitzte sich die finanzielle Situation somit merklich zu: Während die Handelsbilanz Anfang des Jahres noch nahezu ausgeglichen war, lag sie Ende 2015 bei -2,6 Mio. Kwacha, der Währungskurs fiel im Vergleich zum Dollar um nahezu 50% von 7,5 Mitte August auf knapp 14,0 Mitte November und folglich kletterte die Inflation binnen weniger Wochen von 7% auf knapp 20%. Verbraucherpreise steigen, Arbeitsplätze verschwinden. Nach dieser vernichtenden Bilanz ist eigentlich nichts mehr übrig von der einstigen PF-Wahlkampagne: „Mehr Jobs, niedrigere Steuern und mehr Geld in euren Taschen!“ Finanzminister Alexander Chikwanda erklärte deshalb, dass Sambia Wachstumsraten von 10% benötigt um eine nachhaltige Entwicklung für alle zu ermöglichen.
2. Arbeitslosigkeit
Sambias größter Wirtschaftszweig ist die Minenindustrie, explizit die Kupferindustrie (40.000 Arbeitsplätze, 68% der Exporterlöse, 9% des BIP, 35% der staatlichen Steuereinnahmen). Der Bergbausektor war Anfang des Jahres 2015 jedoch von politischen und steuerlichen Unbeständigkeiten betroffen, denn nachdem die Regierung zunächst die weltweit höchsten Förderlizenzgebühren einführte (von 6% auf 20%!), senkte sie diese einige Wochen später wieder auf 9%. In Folge fallender Kupferpreise, deutlich zunehmendem Load-Sheddings und einbehaltener Steuerrückzahlungen (5.25 Mrd. Kwacha = 437,5 Mio. Euro) zogen die drei größten Kupferkonzerne schließlich Bilanz und kündigten Spar- und Konsolidierungsmaßnahmen an.
- Konkola Copper Mines (Vedanta Resources Plc, London): Im Zuge einer „tiefen Umstrukturierung” und aufgrund von „Wartungsarbeiten“ wurden im November 1.675 Arbeiter entlassen, in den kommenden 3 Monaten sollen weitere 825 entlassen werden.
- Mopani Copper Mines (Glencore Plc, Schweiz): Schon Anfang des Jahres 2015 gab die Konzernleitung bekannt, dass der Betrieb in einer der Minen für 18 Monate komplett eingestellt werden soll, um einen Schuldenberg von 30 Mrd. Dollar zu reduzieren. Demzufolge hat der Konzern im vergangenen November 3.051 Stellen abgebaut, Gerüchten zufolge sollen insgesamt sogar 8.760 Arbeiter entlassen werden.
- Luanshya Copper Mines (Nonferrous Mining Corporation Ltd, China): Aufgrund von „Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten“ wurden im September 1.640 Arbeiter zwangsbeurlaubt sowie 40 ausländische Manager entlassen.
Der Präsident kündigte an das Problem zu lösen, indem er Sambia in eine auf Landwirtschaft basierte Ökonomie transformiert und die Ex-Minenarbeiter im Primärsektor beschäftigt. Um seine Chancen auf eine Wiederwahl im Sommer 2016 zu erhöhen, versprach Lungu zudem den Ausbau des Straßen- und Trinkwassernetzes sowie den Bau eines neuen Flughafens voranzutreiben und somit 10.000 neue Arbeitsplätze in der Provinz Copperbelt zu schaffen.
3. Elektrizitätskrise
2015 war wortwörtlich ein dunkles Jahr. Wie das gesamte südliche Afrika leben auch die Sambier seit Jahrzehnten mit sporadischen Stromausfällen, allerdings kannte das Land Load-Shedding nie in diesem Ausmaß. Seit Mitte des Jahres 2015 richtet sich nun (nahezu) das gesamte Land nach einem Strom-Management-Plan und die Bürger mussten sich daran gewöhnen täglich 6 bis 14 Stunden vom Netz genommen zu werden. Ausnahmen erhielten die Residenzen des Präsidenten, der Minister und anderer Regierungsmitglieder sowie einige Mitarbeiter von ZESCO, Sambias staatlichem Stromunternehmen. Die Regierung versuchte die mangelnden Regenfälle und daraus resultierend funktionsunfähige Wasserkraftwerke für den abrupten Mangel verantwortlich zu machen, doch mit Blick auf die Energiepolitik der vergangenen Jahre wird deutlich, dass die Stromkrise vor allem auf zu niedrige Strompreise, die verschlafene Diversifizierung der Energieträger und Missmanagement zurückzuführen ist. Bei einem durchschnittlichen nationalen Verbrauch von 1740 MW, kämpft Sambia aktuell mit einem Mangel von 700 – 1000 MW. Als Folge der Krise erlaubte die Regierung ZESCO im November eine Erhöhung der Strompreise um eine Entwicklung des Sektors zu ermöglichen und Raum für Investitionen zu schaffen. Ein längst überfälliger Schritt, doch ein gutes halbes Jahr vor den Wahlen ebenfalls gewagt, denn der geringverdienende „Tembo“-Normalverbraucher hat nicht den nötigen Weitblick um zu verstehen, weshalb er einen höheren Tarif zahlen sollte, wenn er im Moment 8 Stunden am Tag überhaupt keinen Strom erhält.
4. Geschlechterungleichheit
Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein Schlüssel zu sozio-ökonomischer Entwicklung weltweit. Studien belegen, dass die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt einen direkten Einfluss auf das Bruttoinlandsprodukt hat und es in den USA um 5%, in Ägypten sogar um 34% erhöhen würde. Sambia hätte viel zu gewinnen, macht jedoch kaum Fortschritte:
- Im vergangenen Jahr registrierte die Victim Support Union der Polizei 15.154 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt. Ein Anstieg von mehr als 1000 Fällen im Vergleich zum Vorjahr, jedoch wurden weniger als 15% der Fälle gerichtlich verfolgt.
- Das University Teaching Hospital erfasste allein im Oktober 162 Fälle von sexueller Belästigung, die höchste Anzahl die jemals in einem Monat dokumentiert wurde. 32 Fälle betrafen Mädchen unter 5 Jahren.
- Die Hälfte der Häftlinge des Mwembeshi Gefängnisses wurden aufgrund sexueller Vergehen verurteilt.
- Sambias Rate der Kinderehen (<18 Jahre) zählt nach wie vor zu den höchsten der Welt und weitere 37% der 20-24 jährigen Frauen wurden mit 18 verheiratet.
- Pro Jahr werden mehr als 16.000 schulpflichtige Mädchen schwanger, was meist zu einem frühzeitigen Schulabbruch führt.
- Sambias Müttersterblichkeitsrate liegt bei 398 pro 100.000 Geburten (Deutschland: 6). Jährlich sterben somit 1800 Frauen an (meist vermeidbaren) Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt. Etwa 30% der Todesfälle sind auf unsichere (da illegale) Abtreibungen zurückzuführen.
- Die Geburtenrate ist zwar auf durchschnittlich 5,4 Kinder pro Frau (Deutschland: 1,4) gesunken, zählt jedoch nach wie vor zu den höchsten der Welt.
- Während Sambia in Bezug auf die Geschlechtergleichheit bei der Primarschulbildung auf einem guten Weg ist, werden Mädchen im sekundären und tertiären Bildungssektor nach wie vor benachteiligt.
- Sambia hat zwar eine Vizepräsidentin, allerdings sind nur 7 von 25 Ministern Frauen (28%), nur 13% der Parlamentsabgeordneten sind weiblich und lediglich 6% der Kommunalräte. Das Ziel der AU / SADC, 50% der Posten mit Frauen zu besetzen, liegt in weiter Ferne.
5. Mangelhaftes Abschneiden bei den MDGs
Während des sogenannten Millennium Gipfels im Jahr 2000 formulierten Vertreter der Vereinten Nationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) acht Entwicklungsziele – die Millenium Development Goals (MDGs) – die alle Länder bis zum Jahr 2015 erreicht haben sollten.
Sambia erreichte lediglich zwei der acht Entwicklungsziele: MDG Nr. 2: Primärschulbildung für alle und teilweise MDG Nr. 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten.
Die anderen sechs Zielsetzungen konnte das Land nicht erreichen: MDG Nr. 1: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger, MDG Nr. 3: Gleichstellung der Geschlechter / Stärkung der Rolle der Frauen, MDG Nr. 4: Senkung der Kindersterblichkeit, MDG Nr. 5. Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter, MDG Nr. 7. Ökologische Nachhaltigkeit und MDG Nr. 8: Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung.
Sambia hat aufgrund seiner politischen Stabilität und des starken Wirtschaftswachstums in der Klassifikation der Weltbank zwar den Status eines Lower Middle Income Countries erreicht, aufgrund der großen sozialen Ungleichheit kommt die Entwicklung jedoch eher einer wohlhabenden Elite zugute als der Masse der Bevölkerung.
Nachdem die Millenium Development Goals im vergangenen Jahr ausgelaufen sind, hat sich die internationale Gemeinschaft auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung Ende September 2015 auf 17 nachhaltige Entwicklungsziele – die Sustainable Development Goals (SDGs) – geeinigt, die bis 2030 erreicht werden sollen.
Hi Thamy,
das sind beeindruckende Zahlen!
Vielen herzlichen Dank für den detaillierte und umfassenden Überblick!
Take care!