Einkaufen auf Palästinensisch

Vor einigen Tagen bin ich abends von Bethlehem nach Hause gelaufen. Auf dem Weg habe ich beschlossen noch kurz Orangen kaufen zu gehen. Nicht weit entfernt von unserer Wohnung befindet sich ein kleiner Supermarkt und direkt daneben ein Obst- und Gemüsehändler. Ich war vorher noch nie dort, weil der Laden erst neu aufgemacht hat. Ich bin also zielstrebig auf den Eingang zugelaufen und wurde schon von weitem freundlich begrüßt. Im Laden waren mindestens 8 Personen. Von kleinen Kindern über Jugendliche bis hin zu den Großeltern waren Repräsentanten aller Generationen der Familie vertreten. Von einer Frau bekam ich am Eingang eine Tüte in die Hand gedrückt, eine andere zeigte mir, wo ich meine Jacke und meine Tasche ablegen konnte, ein Junge fragte mich irgendetwas auf Arabisch und zeigte auf die Bananen und drei kleine Kinder begleiteten mich lachend und quietschend zum Obst. Niemand sprach Englisch und so verständigten wir uns irgendwie mit Händen und Füßen. Ich fing gerade an die Orangen einzupacken, da ging das Licht aus – Stromausfall!
Ich war ein bisschen überfordert mit der Situation weil es wirklich stockdunkel war, aber – zack – so schnell konnte ich gar nicht gucken – hatte ich 5 Handys vor der Nase, die von allen Seiten die Orangen beleuchteten. Als ich meine Orangen eingepackt hatte wurde ich natürlich gefragt, ob ich nicht noch Äpfel und Bananen brauchen könnte, oder vielleicht Auberginen und Zucchini? Ich kaufte also noch Äpfel und Bananen, außerdem Avocados, Auberginen, Zucchini, Zwiebeln Tomaten und Gurken. Als ich gerade fertig war, mit meinem Midnight-Shopping, ging auch das Licht wieder an und alle waren sichtlich erleichtert. Ich ging also mit meinen ganzen Tüten, begleitet von den lachenden Kindern, zur Kasse um zu bezahlen. Dort wurde in aller Seelenruhe alles abgewogen und aufgeschrieben. Währenddessen fragten sie mich unzählig viele Fragen, natürlich alle durcheinander. Da die Kommunikation ohne eine gemeinsame Sprache dann doch etwas schwierig war wurde eines der Kinder beauftragt den großen Bruder zur Hilfe zu holen. Er war vielleicht 12 Jahre alt und verstand ein paar Brocken Englisch. Sogleich hatte er die Rolle des Übersetzers inne, was ihn dann doch etwas überforderte. Sie fragten mich wie ich heiße, woher ich komme, was ich hier mache, wie lange ich bleibe, wo ich wohne, ob es mir gefällt, was ich schon auf Arabisch gelernt habe, was ich aus den Sachen kochen werde, wann ich wieder zum Einkaufen komme, ob Morgen, warum nicht, warum nicht übermorgen, ob am Donnerstag, und so weiter und so fort. Zwischenzeitig habe ich mir überlegt, ob ich wohl jemals wieder aus diesem Laden herauskommen werde? Als ich schließlich bezahlt und nahezu alle Fragen beantwortet hatte wurde ich von unendlich vielen Glückwünschen und winkenden Händen verabschiedet. Natürlich nicht ohne das Versprechen abzugeben, dass ich auf jeden Fall wieder komme. So schnell wird aus einigen Orangen ein Großeinkauf!
Ich werde sehr viel vermissen wenn ich zurück in Deutschland bin. Vielleicht am meisten – die Herzlichkeit der Menschen!
Wann haben wir eigentlich unsere kleinen „Tante-Emma-Läden“ abgeschafft und sie durch große, kalte, unpersönliche Supermärkte ersetzt? Der Kapitalismus hat viele Nachteile, ein gravierender ist der Verlust des Menschseins beim Einkaufen!

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