Auto fahren auf Palästinensisch

Ich glaube, als Gott die Menschen erschaffen hat und das Temperament verteilt hat, haben sich die Palästinenser drei Mal angestellt! Im Straßenverkehr wird das besonders deutlich! Es wird gedrängelt, gehupt, geschrien. Auf Palästinas Straßen gibt es nur ein Gesetz: Das Recht des Stärkeren! Aus 2 Spuren werden grundsätzlich 4 gemacht. Wenn auf der einen Spur Stau ist versucht man es eben im Gegenverkehr. Es gibt im Sekundentakt Innenstadt-Überholmanöver wie man sie sonst nur aus Actionfilmen kennt. Ein arabisches Wort für „Geschwindigkeitsbegrenzung“ wurde wahrscheinlich noch nicht erfunden aber gefühlt liegt sie bei ca. 230km/h. Schilder, Ampeln, Polizisten oder andere verkehrsregulierende Einrichtungen sind entweder nicht vorhanden oder werden einfach generell ignoriert. Es gibt in Palästina anscheinend ziemlich wenige Regelungen dafür, wann ein Auto noch verkehrstüchtig ist und wann nicht mehr. Sicherheitsrelevante Teile wie Spiegel, Gurte, Nackenstützen oder Lichter sind wirklich keine Selbstverständlichkeit! Ich saß schon in Autos die gerade noch aus Motor, Karosserie, Lenkrad und Rücksitzbank bestanden. Die Tür musste beim Fahren zugehalten werden und man wurde das Gefühl nicht los, dass jederzeit der Unterboden durchbrechen könnte und man auf der Straße sitzt.
Und dann wäre da noch das Hupen… In Palästina gibt es viele Möglichkeiten die Auto-Hupe effektiv einzusetzen: Erst einmal erspart Hupen immer den Blick in den Rückspiegel. Es erspart auch das Blinken beim Spurwechsel oder Abbiegen. Es erspart das Abbremsen wenn jemand unerwartet aus einer Einfahrt kommt oder die Straße überqueren will. Eigentlich kann man sich durch Hupen alle unnötigen Bewegungen von Händen, Füßen oder Kopf sparen. Hupen ist quasi ein Abgeben der Verantwortung für einen möglichen Unfall an die anderen Verkehrsteilnehmer.
Man hupt, wenn jemand ein- oder ausparkt. Man hupt, wenn es zu langsam voran geht. Man hupt, wenn man anhalten muss. Man hupt auch, wenn man meint, dass man Vorfahrt hat und auch wenn man meint, dass man nicht Vorfahrt hat (ein Versuch ist es eigentlich immer wert). Man kann auch aus Solidarität hupen. Wenn andere hupen, dann wird es schon einen Grund dafür geben.
Hupen ist nicht nur Hupen! Hupen ist ein Lebensgefühl!
Hupen ist auch ein Verständigungsmedium und damit wesentlicher Bestandteil der Kommunikation im Straßenverkehr:
Einmal kurz hupen kann bedeuten: „Vorsicht ich überhole“, „Ich hab Vorfahrt“ oder einfach „Hallo“
Zweimal kurz hupen kann bedeuten: „Taxi?“ oder „Uiii hübsche Frauen!“
Dreimal kurz hupen kann bedeuten: „Ganz sicher kein Taxi??“ oder „Yallah – Fahr endlich!!“
Einmal lang hupen bedeutet: „Pass doch auf du Vollidiot!“ oder „Hast du keine Augen im Kopf???“
Einmal dauerhupen bedeutet: „Wenn du dich nicht sofort ver*****, dann raste ich komplett aus!!!!!“
Allgemein wird eigentlich immer gehupt, wenn man an Touristen oder Frauen vorbei fährt. Wenn man also Frau und Touristin zugleich ist, kann man eigentlich an keiner Straße entlang laufen ohne die ganze Zeit „angehupt“ zu werden. Da gibt es die Taxis, die hupen um einen darauf hinzuweisen, dass man nicht unbedingt laufen müsste… Dann gibt es die jungen Männer, die einen darauf hinweisen wollen, dass sie noch zu haben sind… Und dann gibt es noch die älteren Männer, die einen wahrscheinlich darauf hinweisen wollen, dass man, wenn man ein Kopftuch tragen würde, wahrscheinlich nicht von den jungen Männern „angehupt“ werden würde…
Am Anfang habe ich gedacht, dass ich mich nie an diese dauerhafte Geräuschkulisse gewöhnen werde. Jetzt glaube ich, dass es schwieriger wird mit der Totenstille im deutschen Straßenverkehr klar zu kommen!

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